“Ich bin immer noch geflasht”

46 Starter, vier davon über 80 Prozent – allesamt zum deutschen Team gehörend. Das war ein Einstand nach Maß für die Children-Reiterinnen der gastgebenden Nation bei der Europameisterschaft auf dem Schafhof in Kronberg.
Warum dieser Vierfach-Erfolg die kommenden Tage nicht unbedingt einfacher macht und welche Philosophie für alle Nationen schon jetzt voll aufgegangen ist… – im Gespräch mit der Equipechefin des deutschen Teams, Cornelia Albrecht.

Die deutschen Children auf den ersten vier Plätzen in der EM-Vorbereitungsprüfung –… das ist ein starker Einstieg in die EM gewesen.
Cornelia Albrecht: Mit diesem absoluten Erfolg konnten wir natürlich nicht rechnen. Die anderen Nationen haben in den vergangenen Jahren sehr aufgerüstet, sie sind in der Ausbildung einen ganzen Schritt weitergekommen und auch die Qualität der Pferde hat sich deutlich verbessert. Wir konnten also nicht denken: Wir kommen als Favoriten und die Sache ist gelaufen. Das ganz bestimmt nicht. Sicher ist aber, dass wir in Deutschland auf eine gute Grundausbildung der Pferde und Reiter zurückgreifen können. Bei uns in Deutschland wird von Anfang an sehr systematisch ausgebildet und das bildet unsere Grundlage.

Haben innerhalb des deutschen Teams Paare verblüfft?
Cornelia Albrecht: Verblüfft nicht unbedingt, aber voll überzeugt. Djamalla von Vivi (Vivianne Mercker) ist ja erst sieben und für die erfahrene Bella Donna eingesprungen. Vivi ist für ihr Alter, sie ist 14, schon unglaublich klar strukturiert und hat es wirklich toll geschafft, die Ruhe in das junge Pferd zu bekommen. Das Pferd hat viel Potenzial, aber sie ist eben jung und Vivi hat das fabelhaft gemeistert. In Hagen bei der letzten Sichtung hatten die Beiden das Problem, dass Djamalla im Gebüsch ein Gespenst sah, das sei einem jungen Pferd total verziehen, aber Vivi ist immer in der Lage, sich davon nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Sie reitet wirklich weiter und das finde ich in dem Alter schon sensationell gut.

Auf Platz zwei folgte dann eine junge Dame, die eigentlich als Reservereiterin gelistet war…
Cornelia Albrecht: Ja genau, Therese Billig. Therese muss man ganz hoch anrechnen, dass sie hoppladihopp damit konfrontiert wurde, dass sie einspringen muss. Das hat sich erst letzte Woche herausgestellt, weil das Pferd eines Teammitglieds nicht ganz ‚fit to compete‘ war. Insofern lag auf Therese auch etwas Druck vor der Prüfung, aber sie hat das auch – zumindest nach außen – mit einer großen Coolness gemacht – beeindruckend. Lilly Marie Heins auf Skyline ist Dritte geworden und Marie Bernhard auf For Rock Vierte – die Beiden haben auch gute Runden gezeigt, aber – ich möchte nicht überheblich klingen (lacht) – da ist bei Beiden noch was drin.

Sie haben schon mehrfach die Ruhe und ‚Coolness‘ der Kinder angesprochen. Steckt dahinter auch professionelle mentale Betreuung?
Cornelia Albrecht: In diesem Jahr ist die Vorbereitung etwas anders als sonst gelaufen, weil wir drei Europameisterschafts-Wochenenden hintereinander haben. Normalerweise reisen die Kinder direkt vom Vorbereitungs-Lehrgang zu den Championats-Orten, das war dieses Jahr nicht möglich. Dieses Jahr wurde die Vorbereitung zeitlich vorgelagert, weil die Trainer am vergangenen Wochenende schon in Ungarn waren. Je jünger die Teilnehmer sind, desto mehr Unterstützung brauchen sie im Regelfall. Deswegen wurde sehr akribisch in diesem Vorbereitungs-Lehrgang gearbeitet, bei dem sich unsere Sport-Psychologin Dr. Gaby Bußmann auch schon eingebracht hat. Und direkt hier vor Ort hat sie am Montag mit den Kindern eine teambildende Maßnahme durchgeführt. Wir haben eine schöne Wagenburg, da wurde beispielsweise zusammen ein Team-Plakat hergestellt, um die Kinder auch im Team auf die Herausforderungen hier einzustellen.

Heute, Donnerstag, ist der Nationenabend auf der Schafhof-Piazza, bei dem sich jede Nation präsentieren darf. Darauf haben sich die Kinder gestern Abend schon perfekt vorbereitet…
Cornelia Albrecht: Ich muss wirklich sagen: Ich bin von dem Abend gestern immer noch geflasht. Ich war so beeindruckt und habe bei mir nur gedacht: Das können nur junge Leute. Man hörte aus jeder Ecke Getuschel, Gelächter und Musik, alle haben sich auf ihren Auftritt heute vorbereitet. Dann wurden die Franzosen ‚sichtbar‘ und übten, kurz danach guckten die Holländer um die Ecke, die Engländer kamen und sammelten von allen Unterschriften auf ihren großen Hüten und so weiter. Es war wie ein Schneeball, der durch alle Nationen gerollt ist, und kurze Zeit später tanzten alle Kinder zusammen Macarena. Selbst wir Älteren, Equipechefs, Trainer und Eltern, haben mitgetanzt, auch wenn wir das nicht so gut hingekriegt haben (lacht). Der Sport soll hier im Mittelpunkt stehen, aber das, was wir mit diesem Tanz erlebt haben, ist genau das, was man haben möchte. Das ist wirklich Völkerverständigung, wie es schöner nicht geht. Genau das ist ja auch die Philosophie von unserer Gastgeberin hier, Ann Kathrin Linsenhoff, und ihr möchte ich gerne sagen: ‚Deine Philosophie ist genau aufgegangen‘.

Zurück zum Sport: Platz eins bis vier in der Vorbereitungsprüfung – wird es jetzt schwierig für die Children, ihre Konzentration über die Tage weiter aufrecht zu erhalten?
Cornelia Albrecht: Die Konzentration wird, denke ich, kein Problem, aber der Druck ist jetzt natürlich noch mehr gewachsen. Der Druck, als Favorit in einen Wettbewerb zu gehen. Ich bin überzeugt, dass unsere Mädchen das hinbekommen. Dem einen fällt es leichter, der andere braucht vielleicht etwas mehr Unterstützung, aber da hat unser Bundestrainer Hans-Heinrich Meyer zu Strohen ein ganz tolles Gespür. Er weiß genau, wie er mit welchem Mädchen umgehen muss und wie er sie am besten unterstützen kann.
(KiK/pe&pa)