Halbzeit-Führung für Rose Oatley

Nach 35 von 70 Teilnehmern in der Einzelwertung bei den Junioren-Europameisterschaften in Kronberg liegt die 16-jährige Rose Oatley (Lütjensee) in Führung. Mit ihrer achtjährigen Sommernacht hat sie eine neue persönliche Bestleistung von 78,030 Prozentpunkten aufgestellt. „Ich zittere immer noch“, freute sich die viermalige Pony- und Team-Junioren-Europameisterin vom vergangenen Jahr. „Ich bin so zufrieden mit meiner Stute, die hat das so toll gemacht. Wir sind mit voller Konzentration in die Prüfung reingeritten und können jetzt einfach nur stolz sein.“ Wie in der Mannschafts-Wertung lieferte auch heute ihre Teamkollegin Lana-Pinou Baumgürtel auf der neunjährigen ZINQ Emma FH die zweitbeste Runde ab. „Ich habe heute kaum Fehler gehabt, ich bin super zufrieden und hatte ein super Gefühl“, war Lana-Pinou begeistert. „Emma hat ihr absolut Bestes gegeben und ich bin sehr stolz auf unsere Runde.“ Das Ergebnis für die Beiden: 74,088 Prozentpunkte.

Auf den Bronzerang schob sich heute die Österreicherin Florentina Jöbstl auf Bodyguard. Auch dieses Paar trumpfte mit einer neuen persönlichen Bestleistung von 73,971 Prozent auf. „Bodyguard ist eigentlich ein richtiger Showman“, beschreibt die 17-Jährige ihren EM-Partner, den sie im vergangenen Jahr von Bruder Paul übernommen hat, und lacht: „Er gibt auf dem Turnier immer viel mehr als Zuhause, Zuhause ist er eher in seiner ‚Comfort-Zone‘.“

Am Samstag ab 8.30 Uhr geht die zweite Hälfte der Junioren in der Einzelwertung auf dem Schafhof an den Start, gegen 14.00 Uhr werden den drei Besten ihre EM-Medaillen umgehängt.

Deutliche Dominanz
Die Dominanz der deutschen Children-Equipe bei den Europameisterschaften in Kronberg ist überdeutlich: In der Vorbereitungsprüfung belegten sie die Plätze eins bis vier, an Tag eins der Teamwertung übernehmen sie erneut die Spitzenplätze. Zwei der vier Reiter pro Team waren heute am Start, das beste Ergebnis des Tages lieferte Therese Billig (Taucha/SAC) mit dem 13-jährigen Faro Shen. Mit 82,842 Prozentpunkten erreichte sie ein Ergebnis, das besser war als alle anderen zuvor. Auf Therese folgte mit 81,334 Prozent, ebenfalls ein persönliches Bestergebnis, ihre Teamkollegin Marie Bernhard (Iggingen/BAW) auf For Rock. „Therese ist das eigentliche Küken der Mannschaft, sie ist die Jüngste, hat aber sogar die meiste Erfahrung“, hatte im Vorfeld Bundestrainer Hans-Heinrich Meyer zu Strohen erklärt. „Und Marie hat ein Pferd, das sich sehr gut im Viereck konzentriert, während sie selbst manchmal noch etwas verträumt ist. Ich hoffe, dass wir ihr hier noch einen kleinen Piekser geben können.“ Der Piekser hat funktioniert.

So geht das Team in klarer Führung liegend in die Halbzeit, am Samstag ab 15.00 Uhr geht die zweite Hälfte der Children-Reiter in der equimus Dressurarena an den Start.

Platz zwei belegt am Abend von Tag eins das Team aus Spanien. Die Nationaltrainerin der spanischen Nachwuchs-Reiter, Jenny Eriksson, ist voll des Lobes: „Ich bin sehr zufrieden mit beiden Reitern. Jeanette Vallve Martin hat eine tolle Prüfung mit 77,609 Prozent gezeigt. Und Jessica (Gonzalo Aguilera) hat mich fast verblüfft. Sie ist vorher noch nie außerhalb Spaniens geritten und dann kommt sie hierher und reitet zwei so tolle Prüfungen.“ Eriksson war 1988 selbst bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988 für Finnland am Start, lebt in Deutschland und ist lange bei Herbert Rehbein geritten. Seit 2017 betreut sie die spanischen Nachwuchsreiter und gibt ihren Erfahrungsschatz weiter. Zurückhaltend hoffnungsvoll erklärt die spanische Equipechefin Luz Bella Lendinez Martinez: „Wir haben einen Traum. Letztes Jahr haben die Belgier Bronze gewonnen, dieses Jahr ist Belgien nicht mit einem Team bei den Children dabei…“ Für Lendinez Martinez ist diese Europameisterschaft wie eine ‚Rückkehr nach Hause‘ – siehe unten: ‚Vom Schafhof zur Equipechefin‘.

Aber Schweden ist den Südeuropäern auf den Fersen. Der Abstand der Spanier zu dem Team aus Schweden ist aktuell nur ein ‚gehauchter‘. Schwedens Topreiterin Milla Blomqvist lieferte mit Sandro einen Ritt, der mit 77,592 Prozent bewertet wurde. 17 Tausendstel-Prozent hinter der besten Spanierin. „Ich bin sehr zufrieden mit Milla. Sie war vorher sehr nervös und hat dieses Pferd erst seit vier oder fünf Monaten geritten. Sie hat viel Druck von der Mannschaft gespürt, aber ich bin sehr zufrieden, denn sie hat es wirklich geschafft, das Pferd zu beruhigen, als es etwas angespannt war“, freute sich die schwedische Equipechefin Marianne Esseen-Söderberg.

Lange Zeit hatte sich das italienische Team auf dem Bronzerang gehalten, musste sich am Ende des Tages aber doch auf Platz vier einordnen. “Matteo (Borghesi) ist eine fantastische und konzentrierte Prüfung geritten”, resümierte die italienische Equipechefin Laura Conz. “Monica war heute ein bisschen nervös, aber es ist ihr erstes Mal bei einer Europameisterschaft, also ist das völlig verständlich. Wir haben noch nie eine Medaille mit unseren Nachwuchsreitern gewonnen. Im Moment sieht es vielversprechend aus, aber wir werden sehen, was der morgige Tag bringt.” Insgesamt gehen bei den Children neun Mannschaften an den Start.

Vom Schafhof zur Equipechefin
„Ich habe hier alles gelernt!“
Luz Bella Lendinez Martinez – vier Jahre hat sie auf dem Schafhof als Pflegerin gearbeitet, das war 2010 bis 2014. In dieser Zeit hat sie in Osnabrück zudem einen Kurs in ‚International Equestrian Management‘ belegt. Nach 2014 hat die energiegeladene junge Frau eine Bereiterlehre in Spanien gemacht, die erste Nachwuchs-Europameisterschaft 2016 in Oliva mitorganisiert, war auf dem Gestüt Lewitz engagiert und parallel ein Kommunikations-Studium absolviert. Zurück in Spanien freute sich der spanische Verband, jemanden gefunden zu haben, der sich um die Jugend kümmert. Seit Mai 2022 ist das nun die Aufgabe von Luz Bella. Jetzt ist sie wieder nach Kronberg gereist, neun Jahre nach ihrer Zeit als Pflegerin auf dem Schafhof, dieses Mal als Equipechefin des spanischen Teams.

„Ich habe damals hier auf dem Schafhof alles gelernt – das Wissen rund ums Pferd, das Auge fürs Detail, dass das Wohl des Pferdes immer zuerst kommt und nicht zuletzt die deutsche Perfektion. All das versuche ich jetzt, meiner Jugend weiterzugeben. Ohne den Blick auf jedes Detail hat man keinen Erfolg – das habe ich hier gelernt.“ Als Equipechefin ist Luz Bella in Spanien für alle Nachwuchsreiter verantwortlich, eine große Herausforderung: „Das Schwierigste ist, den Kindern, Jugendlichen beizubringen, dass sie an sich glauben. Dass sie stolz auf sich sind. Man darf auch nicht vergessen: die Kulisse hier auf dem Schafhof ist schon beeindruckend, davor dürfen sie keine Angst bekommen. Ich sage ihnen immer, denkt: ‚Hier bin ich, seid stolz und freut Euch darauf, Eure Pferde zeigen zu können.‘“
Luz Bella ist mit zwei kompletten EM-Teams in Kronberg angereist, aber sie gibt zu: „Es ist schwierig mit der Nachwuchsarbeit in Spanien, aber wir bemühen uns. Die Qualität der Pferde, die es in Mitteleuropa gibt, die haben wir nicht. Aber besonders mit unseren Children sind wir hoffnungsvoll. Sie sind noch sehr jung und brauchen noch Erfahrung, aber wir denken, dass sie später gute Junioren und Junge Reiter werden.“ Luz Bella erzählt ‚ihren Kindern‘ gerne von ihrer Zeit auf dem Schafhof. „Ich war jeden Tag, den ich hier gearbeitet habe, so dankbar“, lächelt sie und funkelt fröhlich mit ihren Augen. „Es ist einfach ein Traum. ‚Meine Kinder kennen so etwas nicht und sind sehr dankbar, dass sie das erleben dürfen.“
(KiK/pe&pa)