Fast 27 Stunden gehofft – und gewonnen

Nach 26 Stunden und 57 Minuten sehr langer Wartezeit hat sich Rose Oatley bei den FEI Europameisterschaften der Dressur-Junioren auf dem Schafhof ihre siebte EM-Goldmedaille um den Hals hängen lassen. 26 Stunden und 57 Minuten lagen zwischen der Verkündung ihres eigenen Ergebnisses und dem letzten nach 70 Teilnehmern in der Junioren-Einzelaufgabe, dem Preis der peiker CEE GmbH.
„Seit mehr als einem Tag habe ich eigentlich nur gehofft, dass es am Ende gut für mich ausgeht“, gesteht die 16-Jährige lachend. „Sommi (Sommernacht) war so super konzentriert in der Prüfung gestern, ich musste eigentlich nur noch durchreiten. Dass ich jetzt hier ganz oben auf dem Podest stehe, damit habe ich wirklich nicht gerechnet.“ Mit dem persönlichen Bestergebnis von 78,030 Prozent sicherte sich die Tochter der viermaligen Olympiateilnehmerin Kristy Oatley mit ihrer achtjährigen Stute Sommernacht ihre erste Einzelmedaille in der Juniorenklasse, die Goldmedaille.

2021 ist Rose mit Daddy Moon bereits Dreifach-Europameisterin bei den Ponyreitern geworden, ein Jahr zuvor war es schon Mannschaftsgold. Im vergangenen Jahr gehörte sie mit Veneno zum goldenen Junioren-Team, vor zwei Tagen gab es auf dem Schafhof erneut Teamgold und nun die Einzel-Goldmedaille. Aus Australien angereist war Roses größter Fan und Mitbesitzerin ihrer Siegerstute Sommernacht, Großmutter Rosalind. „Der andere Teil von Sommernacht gehört meiner Urgroßmutter Valerie Oatley“, verkündet Rose strahlend. Diese Goldmedaille war ein absoluter Familien-Erfolg.

Die Silbermedaille ging an Allegra Schmitz-Morkramer und den elfjährigen Hengst Libertad. „Am Donnerstag hatten wir noch unsere Probleme im Viereck, weil Libertad sich ein bisschen erschrocken hat“, erzählt die Silbersiegerin. „Heute war er super motiviert, aber gleichzeitig konzentriert. Er ist im Umgang ein eher schüchternes Pferd und man denkt gar nicht, dass er ein Hengst ist. Aber im Viereck legt er den Schalter um und ist da.“ Wie bei der Siegerin waren sich bei der Vize-Europameisterin alle einig in der Rangierung und vergaben eine Wertung von 76,794 Prozent. Schon im vergangenen Jahr hat die 17-Jährige Doppelgold bei der Junioren-EM gewonnen, auch da saß sie im Sattel des Londontime-Sohns. 2019 war sie mit Triple-Gold von den Europameisterschaften der Children nach Hause gekommen, ein Jahr gewann sie bereits Teamgold mit den Junioren – in diesen beiden Jahren saß sie auf Lavissaro.

Mit 74,088 Prozent landeten Lana-Pinou Baumgürtel und ihre neunjährige Emma auf dem Bronzerang. „Emma ist noch ein sehr junges Pferd“, resümiert die 18-Jährige. „Wir haben sie seit 2021 und ich bin damals nach meinem ersten Ritt sofort mit einem Lächeln abgestiegen. Heute hat sie sich toll präsentiert, ich bin sehr stolz auf sie.“

Seit 1973 werden Europameisterschaften für Junioren in der Dressur ausgetragen. Zum 29. Mal ging in Kronberg die Einzelgoldmedaille an ein deutsches Paar. Zum siebten Mal haben die deutschen Dressur-Junioren das komplette Podium besetzt. Seit 2001 ist Hans-Heinrich Meyer zu Strohen für die U18-Reiter als Bundestrainer verantwortlich, allein unter seiner Ägide gingen alle Medaillen in der Einzelwertung zum vierten Mal an seine Schützlinge.

Splitter am Rande:
Auch Hengsthalter Ingo Pape war in Kronberg zu Gast und strahlte – mit doppeltem Grund: Er ist Züchter der siegreichen Sommernacht und Mitbesitzer des Zweitplatzierten Libertad.

Der Ausblick der Medaillendamen auf die EM-Kür
Rose Oatley: „Wir haben eine ganz tolle Robin Hood Kür, die Musik haben meine Mutter und ich zusammen ausgesucht. Morgen reite ich diese Kür zum ersten Mal und ich freue mich schon sehr darauf.“

Allegra Schmitz-Morkramer: „Meine Kür hat kein besonderes Motto, die Musik passt einfach toll zum Pferd. Meine Mutter hat mir sehr bei der Kür geholfen, ein kleines Mitspracherecht hat sie ja doch, schließlich gehört Libertad ihr (lacht).“

Lana-Pinou: Unsere Kür orientiert sich am Stil der 80er und enthält auch viel meiner eigenen Lieblingsmusik. Zusätzlich hat ein Freund unserer Familie die Kür für uns gemacht, somit ist es wirklich ein richtiges Familienprojekt.

Veranstalter-Trio hoch zufrieden
Nach vier von fünf Europameisterschaftstagen oder nach acht von neun Turniertagen, wenn man das Vier-Sterne-Turnier der vergangenen Woche hinzuzählt, zieht die Veranstalter-Familie Linsenhoff-Rath ein erstes Fazit.

Es ist die vierte Nachwuchs-Europameisterschaft, die auf dem Schafhof ausgetragen wird – nach den EMs 1981 und 1984 hatte bei der Euro 2010 das Ehepaar Ann Kathrin Linsenhoff und Klaus-Martin Rath erstmals die Turnierleitung inne. 2023 lag die EM-Verantwortung nun das erste Mal in den Händen von Matthias Alexander Rath. Der 38-jährige dreifache Familienvater freute sich über die sportlichen Leistungen der U18- und U14-Reiter, aber genoss ebenso – oder sogar noch ein bisschen mehr – das fröhliche Miteinander unter den Reitern aus 28 Nationen. „Besonders beeindruckend sind natürlich die super starken Leistungen der deutschen Nachwuchsreiter, aber wir haben dahinter auch viele andere Nationen gesehen, die tolle Prüfungen gezeigt haben: Dänemark, Großbritannien, Österreich, Schweden, Spanien, Schweiz, Frankreich – ganz viele Nationen hatten und haben wirklich gute Paare hier am Start. Das fördert unseren Sport immens. Zusätzlich ist der Umgang der Nationen untereinander einfach toll. Da wird sich im Stallzelt zum gemeinsamen nationenübergreifenden Grillen am LKW-Parkplatz verabredet und das eine oder andere kreative Tik-Tok Video hab ich auch schon gesehen“, freut sich Rath. „Und der Nationenabend war für mich ein absolutes Highlight. Die ausgelassene Stimmung samt Pool-Party in unserem Brunnen hat mich wirklich gefreut und den Spirit einer Europameisterschaft nochmal hervorgehoben.“ Natürlich seien zwei Turnierwochen am Stück anstrengend, der Aufbau habe bereits vor drei Wochen begonnen, „…aber wir haben wirklich ein klasse Team, das von Anfang an mitgezogen hat. So läuft die Veranstaltung bisher wirklich reibungslos.“

Volle Unterstützung in seinem Tun hat Rath in der eigenen Familie. Stiefmutter Ann Kathrin Linsenhoff strahlt bei dem Gedanken an die zurückliegenden Tage: „Das tolle Miteinander der Nationen freut mich besonders. Beim Nationenabend haben alle Länder eine kleine Performance vorgeführt und landestypisches Essen und Getränke mitgebracht. Das war toll. Eigentlich hatten wir danach gar keine Party geplant, aber am Ende ist es doch in eine sehr ausgelassene Party umgeschlagen (lacht).“

Die Übergabe des Staffelstabs hatte nicht zuletzt für Vater Klaus-Martin Rath besondere Bedeutung: „Es ist natürlich immer schwierig, wenn die Eltern ein großes Event erschaffen und die Kinder es dann fortführen sollen. Man kann seine Kinder nicht dazu drängen, diesen Lebenstraum weiterzuführen. Zum Glück wollte Matthias das von Anfang an und die Veranstaltung ist ein voller Erfolg. Und er hat sich auch gleich für die U21- und U25-Europameisterschaften in zwei Jahren beworben und den Zuschlag bekommen. Das finde ich großartig.“
(KiK/pe&pa)