„Intuitiv und nervenstark“ – Kür-Europameisterin
Allegra Schmitz-Morkramer

Zum vierten Mal waren Nachwuchs-Europameisterschaften zu Gast auf dem Schafhof der Familie Linsenhoff-Rath, aber nie zuvor war die Nationenvielfalt so groß: 24 Nationen gingen bei den Junioren an den Start, 20 waren es bei den Children, insgesamt hatten Reiter aus 28 Ländern die Reise nach Kronberg angetreten, um sich mit den Besten ihres Alters zu messen.

In der abschließenden Junioren-Kür, dem Preis der Theurer Trucks GmbH&Co.KG, siegten Allegra Schmitz-Morkramer und der elfjährige Rapphengst Libertad mit 82,665 Prozent. Die Silbermedaille ging an Lana-Pinou Baumgürtel auf ZINQ Emma FH mit 79,165 Prozent und Bronze sicherte sich Myles Graham aus Großbritannien auf Nibeley Union Hit mit 77,885 Prozent.

„Im Teamtest hatten wir ein paar Unsicherheiten, in der Einzelaufgabe ging Libertad schon super und wir bekamen die Silbermedaille. Jetzt noch Gold in der Kür – mir fehlen die Worte“, war die 17-Jährige Allegra überwältigt, die schon im vergangenen Jahr zum Junioren-Goldteam gehörte und Einzelgold gewann, ebenso wie 2019 bei den Children, als sie mit Doppelgold nach Hause fuhr. „Ich war wirklich nervös, weil ich als letzte Reiterin in die Kür gegangen bin. Ich habe Druck gespürt, einfach weil ich es gut machen wollte. Und dann kam ich raus und hörte die Noten – wow, ich war einfach überwältigt.“ Trainerin Sonja Ellerbrock liefen die Freudentränen: „Es hat heute von Anfang bis Ende alles gepasst. Es war eine so tolle harmonische Runde und dass Allegra jetzt zum Schluss noch mal die Nerven behalten hat – es ist grandios.“ Seit zehn Jahren trainieren Allegra und Ellerbrock zusammen, angesprochen auf die Stärken der neuen Europameisterin muss die Trainerin nicht lange überlegen: „Ihre intuitive Art zu reiten und ihre Nervenstärke.“

Teamgold, Bronze in der Einzelwertung, Silber in der Kür – ihre ersten Einzelmedaillen bei einer Europameisterschaft. Die 18-jährige Lana-Pinou war sprachlos. „Ich hatte ein Wahnsinnsgefühl heute. Und Emma ist gerade erst neun. Bevor wir sie gekauft haben, war sie Zuchtstute, aber sie entwickelt sich immer noch weiter. Sie ist ein absolutes Traumpferd.“ Die letzten Stunden vor ihrem Kürstart hat sich Lana-Pinou sehr gezielt vorbereitet. „Ich glaube, ich habe ungefähr 100 Mal meine Kürmusik gehört“, gesteht sie lachend. „Gestern Abend auch schon. Es war das erste Mal, dass wir die Kür auf einem Turnier gezeigt haben, und ich wollte mich so gut wie möglich darauf vorbereiten.“

Fassungslos legte er nach seiner Kür immer wieder die Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf – er konnte nicht glauben, dass er gerade auf Medaillenkurs war. „Ich reite diese Kür seit April diesen Jahres und finde, sie passt sowohl zu meinem Pferd als auch zu mir“, erzählt Bronzesieger Myles Graham. „Ich habe sie mir Zuhause wahrscheinlich 1000 Mal angesehen. Die Musik habe ich zusammen mit ihrer früheren Reiterin, Rebecca Bell, ausgesucht und die Choreographie habe ich mit meiner Mutter und unserem Teamtrainer Peter Storr entworfen.“ Myles’ Mutter ist zugleich seine Trainerin, Caron Roberts: „Ich bin einfach überwältigt. Er ist die ganze Woche super geritten und ich glaube, er kann das Ganze noch gar nicht realisieren, es ist unglaublich. Die letzten Europameisterschaften waren sein Debüt. Damals war er noch der Reiter, der am Anfang startete. Dieses Jahr ging er im Team-Test als letzter Reiter ins Viereck und wurde so toll vom ganzen Team unterstützt. Der Zusammenhalt war einfach super.“

Nicht ganz ohne Favoriten-Druck gingen die Goldgewinner aus der Einzelwertung, Rose Oatley und Sommernacht, ins Kür-Viereck. Es war die Kür-Premiere für das junge Paar. In der Galopp-Tour schlichen sich noch einige Fehler ein, so dass es heute Platz vier wurde. „Was mein Kind und diese Stute diese Woche geleistet haben – das war abartig“, betont Mutter und Trainerin Kristy Oatley. „Die Goldmedaille gestern war die Creme de la Creme und die Kür war für uns noch der i-Punkt obendrauf. Da hat man schon gesehen, dass die Beiden die Wege noch nicht kennen, aber das macht nichts, beim nächsten Mal sitzt das.“

Die Chefrichterin der Kür, Katrina Wüst, resümierte begeistert: „Nach dieser Woche hier auf dem Schafhof können wir feststellen, dass sich das Niveau von Europas Junioren enorm verbessert hat. Ich habe vor vielen Jahren die erste EM der Junioren gerichtet, damals ritt unser heutiger Gastgeber Matthias noch bei den Jungen Reitern mit. Auch da gab es schon gut reitende Junioren, aber lange nicht so viele wie inzwischen. Außerdem haben wir wirklich viele gute Paare gesehen, auch aus Ländern, die sonst nicht im Fokus des Dressursports stehen. Und was wir heute erlebt haben: Das war die Spitze der Spitzen!“

Insgesamt 16 Europameisterschaftsmedaillen wurden in den fünf EM-Tagen auf dem Schafhof in Kronberg vergeben. Neun von elf möglichen gewann das deutsche Team um Bundestrainer Hans-Heinrich Meyer zu Strohen und Equipechefin Cornelia Albrecht: zweimal Teamgold, zweimal Einzel-, einmal Kürgold, zweimal Einzelsilber, einmal -bronze und Kürsilber. Eine definitiv beachtenswerte Ausbeute. Insgesamt nahmen sieben verschiedene Nationen Medaillen mit nach Hause. „28 Nationen am Start – ist ein Rekord. Und so viele, die Medaillen gewonnen haben – das ist fantastisch!“, fasste Turnierchef Matthias Alexander Rath mit hoch zufriedenem Lächeln zusammen. „Und ich hoffe, dass wir viele von ihnen in zwei Jahren auf dem Schafhof wiedersehen. Von 10. bis 13. Juli 2025 werden wir hier die Europameisterschaften für die Jungen Reiter (U21) und die U25-Reiter veranstalten. Darauf freuen wir uns heute schon.“
(KiK/pe&pa)